千姿百态看德国·生活篇(汉德对照)
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Kindergarten im Wald

Die Entfremdung von der Natur wird in unserer Gesellschaft immer deutlicher. Vielen Kindern fehlt es schlicht an Möglichkeiten, Erfahrungen in einer natürlichen Umgebung zu machen. Natur zu erfahren ist aber ein elementares menschliches Bedürfnis. Die Gegenwart der Natur, das Spiel in „Ihr“ ist relevant für die Kinder. Dafür bietet der Waldkindergarten optimale Voraussetzungen für das in sogenannten „entwickelten“ Gesellschaften häufig vernachlässigte Spiel in der Natur. Der Waldkindergarten soll eine Alternative oder Ergänzung zum herkömmlichen Kindergartenkonzept darstellen.

Kindergarten unter freiem Himmel

Jeden Tag draußen mit Erde und auf Bäumen spielen: Was Kinder am liebsten machen, ist nicht in jedem Kindergarten immer möglich. Anders in Kindergärten unter freiem Himmel, in sogenannten Waldkindergärten. Dort verbringen die Kleinsten den Tag im Wald und das bei jedem Wetter. Der erste Waldkindergarten entstand in Dänemark in den 1950er Jahren. Seit den 1990er Jahren setzte sich das Waldkindergartenmodell endgültig durch. Mittlerweile gibt es in Deutschland rund 300 und in Österreich derzeit schon über 30 Einrichtungen dieser Art. Zielgruppe sind Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren.

Sophie Dreyer fährt fünf Kilometer mit ihrem Fahrrad dort hin, um ihre Tochter Ida mit „mehr Freiheit aufwachsen zu lassen“. „Mir ist die Ruhe in der Natur wichtig“, sagt Dreyer, „hier ist es leiser als in einem Raum mit 20 anderen Kindern, und meine Tochter ist weniger oft krank.“

Zwar gibt es keine belastbaren Studien darüber, wie es Waldkindergartenkindern geht. Aber manche Untersuchungen zeigen, dass sie Pflanzen und Tiere besser verstehen. Diese Kinder können besser Konflikte lösen, haben seltener Neurodermitis oder Asthma und machen grobmotorisch schnell große Fortschritte, sagen die Ergebnisse.

Alltag im Waldkindergarten

Sechs Stunden bleiben die Kinder pro Tag im Wald, auch bei Regen oder Schnee. Wenn es zu schlimm wird, schützt sie ein Bauwagen. An diesem Morgen scheint aber die Sonne. Der Bauwagen bleibt leer. Bald haben die Kinder Schuhe und Socken ausgezogen und malen Kreise in einen Weg, den der Regen sehr weich gemacht hat. Die kleine Anna sammelt Blumen für ihre Mutter. „Man muss die Natur mögen“, sagt Heidi Schlosser, seit 13 Jahren Erzieherin und Naturpädagogin in dem Waldkindergarten. „Dann gibt man das Wissen rund um den Wald und die Tiere auf natürliche Art weiter.“

Ein Mädchen steht sehr weit unter großen Bäumen. Heidi Schlosser ruft es. Es gibt keinen Zaun im Englischen Garten. „Wir Erzieher geben durch unsere Anwesenheit Sicherheit“, sagt Schlosser, „dadurch bewegen sich die Kinder frei und entfernen sich nicht.“ Sophie Dreyer hat festgestellt: „Hier ist man weniger angstbesessen darüber, was Kindern passieren könnte, als in anderen Kindergärten.“

Natur anfassbar machen

Die Zusammenarbeit mit dem Forst klappt nicht immer so gut. Manche Kindergruppen dürfen nicht im Wald bleiben: Zu laut für die Tiere, schlecht für die Natur. „Manche Gruppen haben Probleme mit dem Forst“, sagt Gesine Goltz von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in Lübeck, „aber in den meisten Fällen klappt es tadellos.“

Untersuchungen sagen, dass Kinder aus Waldkindergärten feinmotorisch weniger als andere können und Formen, Farben und Größen schlechter unterscheiden können. Gesine Goltz glaubt das nicht: „Die Kinder spielen mit Blättern und Blüten und schulen damit ihre Geschicklichkeit.“

In München wird es Mittag, ein paar Mädchen lassen sich Bücher vorlesen. Denn die gibt es natürlich auch hier. Wenn Kinder im Waldkindergarten neu sind, bekommen sie immer eine sehr langsame Einführung in das Leben „draußen“, sagt Schlosser. Denn natürlich ist vieles hier im Wald für sie noch unbekannt. „Die Dreijährigen dürfen auch einmal zwei Tage zu Hause bleiben.“ Wenn Goltz „Natur anfassbar“ machen will, weiß die Erzieherin Heidi Schlosser, was das heißt: Die neuen Kinder würden bald ohne Probleme „Schnecken und Spinnen anfassen“.